Wertpapierfirmengesetz Neuer Aufsichtsrahmen für Wertpapierfirmen
Der neue Regelungs- und Aufsichtsrahmen für Wertpapierfirmen besteht aus der Investment Firms Regulation (Verordnung (EU) 2019/2033) und dem Wertpapierfirmengesetz. Letzteres setzt die Investment Firms Directive (Richtlinie (EU) 2019/2034) um und tritt mit 1. Februar 2023 in Kraft. Der neue Aufsichtsrahmen für Wertpapierfirmen passt die Anforderungen an die Risikoprofile und Geschäftsmodelle der Firmen unter gleichzeitiger Wahrung der Finanzstabilität an. Demnach sollen künftig kleinere (nicht-systemrelevante) Wertpapierfirmen neuen und einfacheren Aufsichtsregeln unterliegen. Bislang galten für die meisten Wertpapierfirmen dieselben Kapital-, Liquiditäts- und Risikomanagementvorschriften wie für Banken (Richtlinie 2013/36/EU (CRD) und Verordnung (EU) Nr. 575/2013 (CRR)), welche den Besonderheiten vieler Wertpapierfirmen jedoch nicht in vollem Umfang Rechnung tragen. Systemrelevante Wertpapierfirmen mit bankähnlichen Tätigkeiten und Risiken sollen hingegen weiterhin wie Banken reguliert und beaufsichtigt werden.
Die wesentliche Neuerung des neuen Aufsichtsrahmens ist die Schaffung von Anforderungen an Wertpapierfirmen, die nach Art, Größe und Risikoneigung der Wertpapierfirma differenzieren. Dies war unter dem bisherigen Aufsichtsregime in dieser Ausprägung nicht der Fall. Durch die Unterteilung in 3 Klassen kann insbesondere im Hinblick auf Kapital- und Liquiditätsanforderungen, Berichtspflichten, Unternehmensführung und Vergütung im Sinne der Proportionalität differenziert werden. Zudem stärkt der neue Aufsichtsrahmen durch die Ausweitung des Tätigkeitenkatalogs von Wertpapierfirmen im Wertpapieraufsichtsgesetz 2018 den heimischen Kapitalmarkt und verbessert treffsicher die Aufsichtsanforderungen für Wertpapierfirmen und das Anlegerschutzniveau.
Klassifizierung
In der Verordnung werden Wertpapierfirmen in 3 Klassen unterteilt:
- Klasse 1: Systemrelevante Wertpapierfirmen oder Firmen, die ähnlichen Risiken wie Kreditinstitute ausgesetzt sind. Dies umfasst Wertpapierfirmen, die auf eigene Rechnung handeln oder Finanzinstrumente emittieren und eine konsolidierte Bilanzsumme von über 15 Mrd. Euro haben. Für diese Wertpapierfirmen werden weiterhin die bankaufsichtsrechtlichen Bestimmungen (CRR und CRD) anwendbar sein. Zudem kann einer Wertpapierfirma mit einer konsolidierten Bilanzsumme zwischen 5 und 15 Mrd. EUR, die bankähnliche Tätigkeiten durchführen, von der Aufsichtsbehörde die CRR/CRD-Anwendung vorgeschrieben werden.
- Klasse 2: Nicht-systemrelevante Wertpapierfirmen, welche einen Schwellenwert überschreiten. Zu den Schwellenwerten zählen: verwaltete Vermögenswerte unter 1,2 Mrd. Euro, bearbeitete Kundenaufträge unter 100 Mio. Euro pro Tag für Kassageschäfte bzw. 1 Mrd. Euro pro Tag für Derivate, bilanzielle und außerbilanzielle Gesamtsumme der Wertpapierfirma unter 100 Mio. Euro, jährliche Bruttogesamteinkünfte unter 30 Mio. Euro, der Betrag der verwahrten und verwalteten Vermögenswerte, der gehaltenen Kundengelder, des täglichen Handelsstroms, des Nettopositionsrisikos, des geleisteten Einschusses, des Gegenparteiausfallrisikos ist jeweils gleich null. Für Klasse 2-Wertpapierfirmen wird das maßgeschneiderte prudenzielle System der „K-Faktoren“ zur Anwendung kommen, welches die Kapitalanforderungen unter Berücksichtigung der Größe, Art und Komplexität der Wertpapierfirma festlegt.
- Klasse 3: Kleine und nicht-verbundene Wertpapierfirmen, welche keinen Schwellenwert überschreiten, geringe Risiken für die Finanzstabilität repräsentieren und nur die Mindestanforderungen erfüllen müssen. Die Mindestkapitalanforderung für Klasse 3-Wertpapierfirmen ergibt sich aus dem höheren Betrag aus der Anfangskapitalanforderung oder einem Viertel der fixen Gemeinkosten des vorangegangenen Geschäftsjahres.
Änderung der Definition des Begriffs „Kreditinstituts“
Die Verordnung ändert die Definition des Begriffs „Kreditinstitut“ in Artikel 4 Absatz 1 Ziffer 1 der CRR, damit Klasse 1-Wertpapierfirmen mit einer konsolidierten Bilanzsumme über 30 Mrd. Euro als Banken behandelt und infolgedessen von der EZB beaufsichtigt werden können. Wertpapierfirmen, die die genannten Kriterien erfüllen, werden als Kreditinstitut konzessioniert und haben die Bestimmungen der CRR und CRD anzuwenden. Die Angleichung der aufsichtsrechtlichen Behandlung systemrelevanter Wertpapierfirmen und Banken soll ein Level-Playing-Field mit vergleichbaren Jurisdiktionen sicherstellen.
Anfangskapital
Die Höhe des Anfangskapitals wird entsprechend der Dienstleistungen und Tätigkeiten, für die die Wertpapierfirmen gemäß WAG 2018 konzessioniert sind, mit 75 000 Euro, 150 000 Euro oder 750 000 Euro festgelegt und in der gesamten Europäischen Union harmonisiert.
K-Faktoren
Für Klasse 2-Firmen wird das sogenannte „K-Faktor-Regime“ zur Bestimmung der Kapitalanforderung zur Anwendung kommen. Der Berechnungsweise der „K-Faktoren“ liegt eine risikosensitive Methodik in Einklang mit dem Umfang der Dienstleistungen und dem Geschäftsmodell der betreffenden Wertpapierfirma zugrunde. Sie setzt sich aus Kundenrisiken, Marktrisiken sowie Firmenrisiken zusammen.
Die Kundenrisiken bestehen aus der Summe von verwalteten Vermögenswerten (ASA), bearbeiteten Kundenaufträgen (COH), verwahrten und verwalteten Vermögenswerten (ASA) und gehaltenen Kundengeldern (CMH). Die Marktrisiken sind mit dem Faktor des Nettopositionsrisikos oder des geleisteten Einschusses zu ermitteln. Die Firmenrisiken setzen sich aus der Summe des Gegenparteiausfallrisikos, des täglichen Handelsstroms und des Konzentrationsrisikos zusammen. All diese Faktoren ergeben in Summe die Mindestkapitalanforderung für die entsprechende Klasse 2-Wertpapierfirma.
Liquidität
Wertpapierfirmen haben liquide Aktiva iHv mindestens einem Drittel der Anforderungen für die fixen Gemeinkosten zu halten. In Bezug auf kleine und nicht-verflochtene Wertpapierfirmen wurde der FMA die Verordnungsermächtigung eingeräumt, diese von der Liquiditätsanforderung aufgrund der Art, des Umfangs, des Risikogehalts und des Anlegerschutzes und der Komplexität deren Geschäfte auszunehmen.
Vergütung
Mit dem Vergütungsregime wird eine ordnungsgemäße Funktionsweise der Wertpapierfirmen angestrebt und soll das Eingehen exzessiver Risiken vermieden werden. Die Regelungen erkennen die unterschiedliche Struktur von Wertpapierfirmen und Kreditinstituten an und gewährleisten ein bestimmtes Maß an Flexibilität. Im Sinne der Proportionalität werden Klasse 3-Wertpapierfirmen von den Vergütungsregeln ausgenommen, diese müssen jedoch die Anforderungen der MiFID II (Richtlinie 2014/65/EU) einhalten.
In Österreich gibt es derzeit (Stand: Januar 2023) keine großen und systemrelevanten Wertpapierfirmen. Die Mehrzahl der österreichischen Wertpapierfirmen fällt unter die Definition der „kleinen und nicht-verflochtenen Wertpapierfirmen“ und wird nur Mindeststandards einzuhalten haben. Zudem gibt es ein paar wenige mittelgroße Wertpapierfirmen.