Umsatzsteuerliche Behandlung von Aufsichtsratsvergütungen Anfrage der KSW vom 27.2.2024

1) Ist bei der Tätigkeit als Aufsichtsrat die Leistungserbringung durch eine andere Person als die als Aufsichtsrat bestellte natürliche Person umsatzsteuerlich anzuerkennen?

2) Bejahendenfalls, welche umsatzsteuerlichen Konsequenzen ergeben sich aus einer derartigen Leistungserbringung?

Die Tätigkeit als Aufsichtsrat wird in Österreich traditionellerweise als unternehmerische Tätigkeit iSd UStG angesehen. Bei einer Verrechnung durch die als Aufsichtsrat bestellte natürliche Person an die Kapitalgesellschaft greift jedoch die unechte Steuerbefreiung gem. § 6 Abs. 1 Z 9 lit. b UStG. Demgegenüber geht der EuGH in seiner jüngeren Rechtsprechung (13.6.2019, Rs C-420/18, IO; 21.12.2023, Rs C- 288/22, TP) davon aus, dass die Tätigkeit als Aufsichtsrat (bzw. eines nach ausländischem Recht vergleichbaren Verwaltungsrates) mangels Selbständigkeit nicht als unternehmerisch anzusehen ist, sodass von vornherein kein steuerbarer Umsatz vorliegt. Der Unterscheidung kommt aus österreichischer Sicht bei einer Leistungserbringung durch den Aufsichtsrat an die Kapitalgesellschaften insofern geringe Ergebnisrelevanz zu, als beide Sichtweisen im Ergebnis zu einem nicht mit Umsatzsteuer belasteten Ausgangsumsatz als auch zu einer fehlenden VSt-Abzugsberechtigung auf Ebene des Aufsichtsrates führen. Entscheidungsrelevant könnte die Differenzierung jedoch sein, wenn das Entgelt für die Tätigkeit als Aufsichtsrat (Aufsichtsratsgebühren) nicht durch diesen persönlich, sondern durch einen Dritten verrechnet wird. Entsendet bspw. eine Konzernmutter ihre Vorstände oder Mitarbeiter in Aufsichtsräte der Tochtergesellschaft, so wird das dafür zustehende Entgelt idR durch die Konzernmutter – und nicht durch die als Aufsichtsrat bestellte natürliche Person – an die Tochtergesellschaft verrechnet. Ebenso entsenden in rechtsberatenden Berufen tätige Kapitalgesellschaften – insbesondere Rechtsanwälte und Steuerberater in Rechtsform einer GmbH – Mitarbeiter oder (Gesellschafter-) Geschäftsführer in Aufsichtsräte ihrer Klienten und sollen für deren Tätigkeit durch die Kapitalgesellschaft ein Entgelt verrechnet werden.

In diesen Sachverhaltskonstellationen ergeben sich zwei Fragestellungen:

1) Ist bei der Tätigkeit als Aufsichtsrat die Leistungserbringung durch eine andere Person als die als Aufsichtsrat bestellte natürliche Person umsatzsteuerlich anzuerkennen?

2) Bejahendenfalls, welche umsatzsteuerlichen Konsequenzen ergeben sich aus einer derartigen Leistungserbringung?

Eigene Rechtsauffassung: Zu 1) Soweit ersichtlich bestehen bisher keine Aussagen in der Literatur, Rechtsprechung oder von Seiten des BMF, ob die Erbringung von Aufsichtsratstätigkeiten in umsatzsteuerlicher Hinsicht einer anderen Person als der zum Aufsichtsrat bestellten natürlichen Person zugerechnet werden kann. Vergleichbare Fragestellungen ergeben sich jedoch im Einkommensteuerrecht in Hinblick auf die Zurechnung höchstpersönlicher Tätigkeiten, insbesondere vor dem Hintergrund des § 2 Abs. 4a EStG. Die Zurechnung einer Organtätigkeit an eine von der natürlichen Person abweichende Körperschaft kommt demnach nicht in Betracht, wenn die Körperschaft unter dem Einfluss dieser Person steht und über keinen eigenständigen, sich von dieser Tätigkeit abhebenden Betrieb verfügt. Im Umkehrschluss wird bei der Entsendung von Mitarbeitern in Aufsichtsräte von Tochtergesellschaften die Zurechnung der Einkünfte aus dieser Tätigkeit zur Muttergesellschaft ertragsteuerlich anerkannt (Rz 104 Bsp. 4 EStR). Ebenso wird bei der Entsendung eines Rechtsanwaltes als Stiftungsvorstand durch eine Rechtsanwalts-GmbH die Zurechnung der Einkünfte zur Rechtsanwalts-GmbH bejaht (Rz 104 Bsp. 1 EStR). Umsatzsteuerlich ist für die Zurechnung von Leistungen maßgeblich, wer sich im Außenverhältnis zur Leistungserbringung verpflichtet, mag er die Leistung auch durch andere erbringen lassen oder im Innenverhältnis auf fremde Rechnung arbeiten (Ruppe/Achatz, UStG5, § 1 Tz 258 mit Verweis auf ständige VwGH-Rspr). Wird bei der Bestellung zum Aufsichtsrat eine Verrechnung der Aufsichtsratsgebühren durch eine von der natürlichen Person abweichende Körperschaft vereinbart, so ist dies u.E. zumindest in all jenen Fällen, in denen die Zurechnung der Einkünfte zu dieser Körperschaft ertragsteuerlich bejaht wird, auch umsatzsteuerrechtlich anzuerkennen. Damit wird nicht nur dem im Umsatzsteuerrecht geltenden Grundsatz der Maßgeblichkeit des Auftritts im Außenverhältnis zum Durchbruch verholfen, sondern auch ein für die praktische Handhabung wichtiger Gleichklang zwischen Ertragsteuer- und Umsatzsteuerrecht geschaffen, indem die Zurechnung der Einkünfte und der Leistungserbringung zur selben Person erfolgt. Zu 2) Die Umsatzsteuer ist grundsätzlich rechtsformneutral ausgestaltet (vgl. u.a. Windsteig in Melhardt/Tumpel, UStG3, § 2 Tz 2), was u.E. für die Anwendung der Steuerbefreiung des § 6 Abs. 1 Z 9 lit. b UStG auch bei der Zurechnung der Leistung an eine von der natürlichen Person des Aufsichtsrates abwei- chende Körperschaft (vgl. dazu Punk 1) spricht. Soweit ersichtlich bestehen bislang jedoch keine Aussagen der Rechtsprechung oder von Seiten des BMF zu dieser Frage. In der Literatur äußert sich einzig (in Melhardt/Tumpel, UStG3, § 6 Tz 338) und vertritt, dass es sich bei § 6 Abs. 1 Z 9 lit. b UStG um eine persönliche Befreiung handle, welche bei einer Verrechnung der Vergütung durch einen Dritten wie den Arbeitgeber des Aufsichtsrates nicht zur Anwendung käme.

In Hinblick auf die grundsätzliche Rechtsformneutralität der Umsatzsteuer stellt sich jedoch die Frage nach der vom BMF dazu vertretenen Rechtsauffassung. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass sich vorgelagert zur – diesfalls abstrakten – Frage der Anwendbarkeit der Steuerbefreiung aufgrund der zwischenzeitlich ergangenen Rechtsprechung des EuGH die Frage stellt, ob mit der Verrechnung der Aufsichtsratsvergütung durch die Körperschaft überhaupt eine steuerbare Leistung erbracht wird. Wie eingangs dargestellt hat der EuGH dies bereits in zwei Entscheidungen – sowohl für fixe als auch für variabel vergütete Tätigkeiten als Aufsichtsrat – verneint. Zur Frage, ob der Umsatz aus der Tätigkeit als Aufsichtsrat auch dann nicht steuerbar ist, wenn der Aufsichtsrat aus anderen Gründen Unternehmereigenschaft besitzt und u.U. auch andere Leistungen (z.B. als Rechtsanwalt) an dieselbe Gesellschaft erbringt, hat der EuGH nicht dezidiert Stellung genommen. Generalanwältin Kokott vertritt jedoch in den Schlussanträgen, dass in beiden Konstellationen die Aufsichtsratsvergütung nicht steuerbar bleibt (Schlussanträge vom 13.7.2023, Rs C-288/22, TP, Tz 41 ff). Der Umstand, dass der EuGH diese Frage nicht thematisiert, sondern die Steuerbarkeit der Aufsichtsratsvergütung wegen insoweit fehlender Selbständigkeit von vornherein verneint hat, wird in der deutschen Literatur aber als Zeichen dafür gedeutet, dass der EuGH die Rechtsansicht der Generalanwältin teilt (Küffner/Claussen, UR 2/2024, 63). UE ist bei der Verrechnung von Aufsichtsratsvergütung entsprechend der Rechtsprechung des EuGH von einem nicht steuerbaren Vorgang auszugehen, unabhängig davon, ob die Verrechnung durch die zum Aufsichtsrat bestellte natürliche Person oder durch eine Körperschaft, der die Leistung zuzurechnen ist, erfolgt. Wird entsprechend der traditionellen Auffassung und entgegen der EuGH-Rechtsprechung von einem steuerbaren Vorgang ausgegangen, so ist die Verrechnung der Aufsichtsratsgebühren u.E. in Hinblick auf die Rechtsformneutralität der Umsatzsteuer gem. § 6 Abs. 1 Z 9 lit. b UStG steuerbefreit, unabhängig davon, ob die Verrechnung durch die zum Aufsichtsrat bestellte natürliche Person oder durch eine Körperschaft, der die Leistung zuzurechnen ist, erfolgt.

Beantwortung:

Unternehmer/Steuerpflichtiger – Allgemeines

Entsprechend den unionsrechtlichen Vorgaben des Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG (MWSt-RL) und unter Bedachtnahme auf die diesbezügliche Judikatur des EuGH (siehe z.B. EuGH 13.6.2019, C-420/18, IO, EuGH 21.12.2023, C-288/22, TP) ist nach § 2 Abs. 1 UStG 1994 jede selbständige Ausübung einer nachhaltigen Tätigkeit zu Erzielung von Einnahmen als unternehmerische (wirtschaftliche) Tätigkeit eines Unternehmers (Steuerpflichtigen) anzusehen. Diese Beurteilung hat grundsätzlich im Einzelfall zu erfolgen und gilt auch in Verhältnissen von Personen als Aufsichtsräte zu Gesellschaften.

Ausnahme von der Besteuerung

Gemäß der Protokollerklärung zu Artikel 4 der Richtlinie 77/388/EWG (6. MWSt-Richtlinie) steht es den Mitgliedstaaten frei, Personen, die ehrenamtliche Tätigkeiten ausüben, sowie die Geschäftsführer, Verwalter, Aufsichtsratsmitglieder und Abwickler von Gesellschaften in ihrer Beziehung zu den Gesellschaften und ihrer Eigenschaft als Organe derselben nicht der Mehrwertsteuer zu unterwerfen. Durch die Formulierung „nicht der Mehrwertsteuer unterwerfen“ wurde den Mitgliedstaaten die Möglichkeit eingeräumt, die genannten Personen entweder als Nichtunternehmer/Nichtsteuerpflichtige (Leistungen nicht steuerbar) oder als steuerbefreite Unternehmer/Steuerpflichtige (Leistungen steuerbar aber steuerfrei) zu behandeln.

Vergütungen an Aufsichtsratsmitglieder

Vor dem Hintergrund der dargelegten Protokollerklärungen ist es somit möglich, die Leistungen der genannten Personen von der Umsatzsteuer zu befreien; dies unter der Voraussetzung, dass sie Unternehmer sind (vgl. Rz 185 UStR 2000, wonach unter Verweis auf EuGH 13.6.2019, C-420/18, IO, die Tätigkeit als Mitglied eines Aufsichtsrats einer Stiftung keine Unternehmereigenschaft vermittelt). Die Steuerbefreiung nach § 6 Abs. 1 Z 9 lit. b UStG 1994 ist Ausfluss der Protokollerklärung zu Artikel 4 der 6. MWSt-Richtlinie und steht im Einklang mit den unionsrechtlichen Vorgaben.

Da es sich bei der Befreiung nach § 6 Abs. 1 Z 9 lit. b UStG 1994 neben einer sachlichen auch um eine persönliche Steuerbefreiung handelt, ist Voraussetzung für die Anwendung, dass die Vergütung direkt an das Aufsichtsratsmitglied gezahlt wird.

Nur natürliche Personen können Mitglieder von Aufsichtsräten sein. Die Leistung wird daher von der natürlichen Person erbracht.

Entsendet dementsprechend eine Konzernmutter ihre Vorstände oder Mitarbeiter in Aufsichtsräte der Tochtergesellschaft und wird das dafür zustehende Entgelt durch die Konzernmutter – und nicht durch die als Aufsichtsrat bestellte natürliche Person – an die Tochtergesellschaft verrechnet, handelt es sich um einen steuerpflichtigen Vorgang.

Während die Direktzahlung an das Aufsichtsratsmitglied Anwendungsvoraussetzung für die Steuerbefreiung ist, ist nicht entscheidend, von wem die Vergütungen getragen werden.