Errichtungs- und Vermietungsgemeinschaft Anfrage der KSW vom 22.5.2024

Ist der einzelne Investor einer Liegenschaft als Unternehmer iSd UStG zu qualifizieren oder ausschließlich die Errichtungs- und Vermietungsgemeinschaft? 

In den letzten Jahren wurden diverse Investorengemeinschaften zur Revitalisierung und Vermietung von Wohngebäuden (sogenannte Bauherrenmodelle) gegründet. Die Investoren schließen sich vor Anschaffung der Liegenschaft und vor Baubeginn zu einer sogenannten Errichtungs- und Vermietungsgemeinschaft zusammen. Leistungen wie die Zusammenführung der Investoren, Finanzierung, Wirtschaftlichkeitsanalyse, Bau- und Sanierungsabwicklung sowie die Vermietung, werden von einem Initiator erbracht.  

Die für die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung wesentlichen Inhalte und Rahmenbedingungen sind wie folgt:  

• Die Investoren erwerben an der Liegenschaft vorab ideelle Miteigentumsanteile und lassen in weiterer Folge als Miteigentümergemeinschaft dieser Liegenschaft ein Gebäude errichten. 
• Nach Fertigstellung des Bauvorhabens wird Wohnungseigentum begründet. Das dem jeweiligen Wohnungseigentümer ausschließlich zustehende Nutzungsrecht seines Wohnungseigentumsobjekts wird der  Errichtungs- und Vermietungsgemeinschaft für einen Zeitraum von mindestens 20 Jahren zum Zweck der gemeinschaftlichen Vermietung überlassen. Ein Ausscheiden des Wohnungseigentümers aus der Errichtungs- und Vermietungsgemeinschaft ist während dieses Zeitraums ausgeschlossen. 
• Die Errichtungs- und Vermietungsgemeinschaft tritt nach außen hin (insbesondere auch als Vermieterin gegenüber Lieferanten oder Mietern) im eigenen Namen („Errichtungs- und Vermietungsgemeinschaft [Adresse]“) auf.  

Die Miteigentümer erhalten im Verhältnis des Nutzwerts der jeweiligen Wohnung zur Gesamtsumme der Nutzwerte sämtlicher Wohnungen des Gebäudes den auf sie entfallenden Anteil des von der Gemeinschaft erwirtschafteten Gesamtüberschusses. Ein Anspruch auf den individuellen Mieterlös bzw. individuellen Mietüberschuss aus der Vermietung der „eigenen“ Wohnung besteht nicht. 

Fragestellung - Ist der einzelne Investor als Unternehmer iSd UStG zu qualifizieren oder ausschließlich die Errichtungs- und Vermietungsgemeinschaft? 

Wir erlauben uns diese Fragstellung in folgende Unterpunkte zu gliedern:  

Fragestellung 1 - Ist vom Fehlen einer Lieferung oder sonstigen Leistung auszugehen?  
Den Investoren (bis dahin Miteigentümer der Liegenschaft) wird nach Baufertigstellung zwar das dingliche Nutzungsrecht (Wohnungseigentum) vertraglich eingeräumt, jedoch wird das Nutzungsrecht gleichzeitig schuldrechtlich für einen unwiderruflichen Zeitraum von mindestens 20 Jahren auf die Errichtungs- und Vermietungsgemeinschaft übertragen. Faktisch wird dem Investor somit kein Nutzungsrecht eingeräumt. Die Investoren verpflichten sich zu dieser Übertragung bereits zu Beginn der Projektrealisierung, d.h. bereits bei Beitritt zur Errichtungs- und Vermietungsgemeinschaft und verzichten daher vorab – sohin vor dessen Entstehen - auf die faktische Verfügungsmacht über dieses Nutzungsrecht. Die grundbücherliche Durchführung der Eintragung des Wohnungseigentumsrechtes ist nur als umsatzsteuerlich unbeachtlicher formaler Akt zu sehen. Im Unterschied zu den Ausführungen in UStR Rz 781 („Errichtung eines Gebäudes im Wohnungseigentum“) besteht im gegenständlichen Fall von vornherein eine vertragliche Verfügungsbeschränkung.  

Der Verzicht erfolgt zudem ohne besondere Entgeltzahlungen, ist Ausfluss der Miteigentümerstellung und bedeutet lediglich eine besondere Ausgestaltung der bereits aus der Eigentümerstellung abzuleitenden 
Benützungsrechte.  

Würdigung: Es kann daher im Ergebnis durch den Vorabverzicht auf das Nutzungsrecht für einen unwiderruflichen Zeitraum von mindestens 20 Jahren das Fehlen eines Leistungsaustauschs oder einer Lieferung zwischen der Gemeinschaft und dem einzelnen Investor (Wohnungseigentümer) angenommen werden.  

Fragestellung 2 – Begründet die Rückübertragung des Nutzungsrechts an die Vermietungs- und Errichtungsgemeinschaft durch den einzelnen Investor ggf. eine wirtschaftliche Betätigung?  
Gemäß § 2 Abs. 1 UStG 1994 ist Unternehmer/in, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Das Unternehmen umfasst die gesamte gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Unternehmers. Gewerblich oder beruflich ist jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt oder eine Personenvereinigung nur gegenüber ihren Mitgliedern tätig wird. 

Gemäß Art. 9 Abs. 1 der Mehrwertsteuersystem-RL gilt als „Steuerpflichtiger“, wer eine wirtschaftliche Tätigkeit unabhängig von ihrem Ort, Zweck und Ergebnis selbstständig ausübt. Als wirtschaftliche Tätigkeit gilt auch die Nutzung von körperlichen oder nicht körperlichen Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen. 

Der VwGH(siehe z.B.30.6.2021, 2019/15/0180) leitet aus der Rechtsprechung des EuGH ab, dass die bloße Ausübung des Eigentums durch seine Inhaber als solche nicht als wirtschaftliche Tätigkeit angesehen werden kann. Für die Beurteilung ist auf das Gesamtbild des Marktauftritts der z.B.verkaufenden oder leistenden Person abzustellen, wobei etwa Dauer und Intensität des Tätigwerdens, die Höhe der Erlöse, die Beteiligung am Markt durch Werbung, die Zahl der ausgeführten Umsätze, das planmäßige Tätigwerden oder das Unterhalten eines Geschäftslokals zu würdigen sind (mVa BFH 27.1.2011, V R 21/09, Rz 22). 

Variante 1 - Fragestellung 1 wird bejaht und es ist vom Fehlen einer Lieferung oder sonstigen Leistung an die Mitglieder (Investoren) der Errichtungs- und Vermietungsgemeinschaft auszugehen: 

Würdigung: Es ist somit eine wirtschaftliche Betätigung der Investoren mangels zuordenbaren Wirtschaftsgutes oder Rechtes an sich bereits nicht möglich und daher die Unternehmereigenschaft des einzelnen Investors zu verneinen.   

Variante 2 - Fragestellung 1 wird verneint und es ist durch die Einräumung des Nutzungsrechts mit Begründung des Wohnungseigentums vom Vorliegen einer Lieferung oder sonstigen Leistung an die Mitglieder (Investoren) der Errichtungs- und Vermietungsgemeinschaft auszugehen:  

Das Tätigwerden der Investoren beschränkt sich einzig darauf, das eingeräumte Nutzungsrecht wieder an die Errichtungs- und Vermietungsgemeinschaft rückzuübertragen (was bereits vertraglich verpflichtend bei Beitritt, d.h. pro futuro erfolgt). Auf Basis der Ausführungen im oben angeführten VwGH-Erkenntnis (30.6.2021, 2019/15/0180) wäre ein einmaliges Tätigwerden unter Berücksichtigung von Dauer und Intensität oder der fehlenden regelmäßigen Beteiligung am Markt für die Begründung einer umsatzsteuerlich relevanten wirtschaftlichen Tätigkeit nicht ausreichend. 

Der Sachverhalt im oben angeführten VwGH-Erkenntnis - das zur Unternehmereigenschaft einer Privatperson bei Beauftragung eines Kommissionärs zum Verkauf von 234 (!) Privatgegenständen ergangen 
ist – weicht hinsichtlich des Umfangs der Betätigung wesentlich vom vorliegenden Sachverhalt ab. Der VwGH kam dabei trotzdem zum Ergebnis, dass die Privatperson nur einen Kommissionär beauftragt hat und diese Beauftragung für die Begründung einer umsatzsteuerlich relevanten Betätigung bzw. Unternehmereigenschaft der Privatperson nicht ausreichend ist. Dieser entscheidungsgegenständliche Sachverhalt ist in der Grundstruktur mit jener der Errichtungs- und Vermietungsgemeinschaft vergleichbar. 
Hier beauftragt das jeweilige Mitglied der Errichtungs- und Vermietungsgemeinschaft diese mit der „Errichtung und Vermarktung der Liegenschaft“. Ein umfassenderes Tätigwerden des jeweiligen Mitgliedes (Investors) liegt nicht vor.  

Würdigung: Es ist das alleinige Tätigwerden der Investoren hinsichtlich der Rückübertragung des eingeräumten Nutzungsrechts an die Errichtungs- und Vermietungsgemeinschaft sowie der Beauftragung der Errichtungs- und Vermietungsgemeinschaft mit der „Errichtung und Vermarktung der Liegenschaft“ somit nicht als ausreichend für die Annahme einer wirtschaftlichen Betätigung der Investoren zu beurteilen, die die umsatzsteuerliche Unternehmereigenschaft begründen würde.  

Fragestellung 3 – Ist die umsatzsteuerliche Unternehmereigenschaft bereits wegen eines fehlenden Außenauftritts der einzelnen Investoren zu verneinen?  
Unternehmer kann jedes Wirtschaftsgebilde sein, das nachhaltig und selbständig gegen Entgelt Leistungen erbringt und nach außen hin in Erscheinung tritt (Maßgeblichkeit des Außenverhältnisses). Personenvereinigung jeder Art können Unternehmer sein, wenn sie nach außen hin selbständig auftreten. Im vorliegenden Fall tritt allein die Errichtungs- und Vermietungsgemeinschaft nach außen hin im eigenen Namen auf. Die Gemeinschaft erwirbt die Liegenschaft, lässt das Gebäude errichten und vermietet anschließend die Wohnungen. Allein sie ist es, die zivilrechtlich gegenüber den mit der Errichtung beauftragten Unternehmern und später gegenüber den Mietern berechtigt und verpflichtet wird.  

Würdigung: Es kommt somit auf Grund des Außenauftritts allein der Errichtungs- und Vermietungsgemeinschaft (analog einer Miteigentumsgemeinschaft) die Unternehmereigenschaft gemäß § 2 UStG zu und ist auf Grund des fehlenden Außenauftritts der Investoren deren Unternehmereigenschaft jedenfalls zu verneinen.  

Beantwortung:

Aufgrund der Begründung von Wohnungseigentum ist der Wohnungseigentümer in der Lage, Nutzungsrechte am Wohnungseigentum an eine Errichtungs- und Vermietungsgemeinschaft zu überlassen. Ein Vorabverzicht auf das Nutzungsrecht ändert nichts an der Tatsache, dass die Überlassung von Wohnungseigentum zu einer
wirtschaftlichen Tätigkeit führen kann. Gleiches gilt auch für die Einräumung der Nutzungsrechte durch die Wohnungseigentümer, zumal die Wohnungseigentümer gegenüber der Errichtungs- und Vermietungsgemeinschaft nach Außen hin auftreten (siehe weiters auch UStR Rz 185 zur "Vermietungsgemeinschaft ("Mietenpool")").