Brunner: Steuerfahndung sicherte 2023 Steuernachzahlungen von rund 48,5 Millionen Euro Zusätzlich drohen Strafen bis zum Doppelten des hinterzogenen Betrags

Im Kampf gegen organisierte und systematische Steuer- und Abgabenhinterziehung schlossen die 186 Beamtinnen und Beamten der Steuerfahndung, einer Spezialeinheit im Amt für Betrugsbekämpfung, 2023 insgesamt 210 Fälle erfolgreich ab und sicherten Steuernachzahlungen in Höhe von 48,46 Millionen Euro. Zusätzlich drohen den Täterinnen und Tätern in Summe Strafen von bis zu 100 Mio. Euro. Die Schwerpunkte bei den Kontrollen lagen im Baugewerbe mit Schwarzrechnungen und nicht erfassten Arbeitsstunden, in nationalen und internationalen Umsatzsteuer-Betrugsszenarien und im Transportgewerbe.

Finanzminister Magnus Brunner betont anlässlich der Präsentation der Jahresbilanz der Steuerfahndung: "Die Ergebnisse der Steuerfahndung für das Jahr 2023 unterstreichen einmal mehr die Bedeutung und Effektivität unserer Spezialeinheit im Kampf gegen systematischen und organisierten Abgabenbetrug. Der Schutz der ehrlichen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler sowie das Sichern fairer Wettbewerbsbedingungen stehen im Vordergrund der Arbeit der Steuerfahndung. Mein Dank gilt allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Steuerfahndung für ihren engagierten und erfolgreichen Einsatz. Mit ihrer Arbeit sorgt die Steuerfahndung im Amt für Betrugsbekämpfung dafür, dass jene Unternehmerinnen und Unternehmer, die sich an die Gesetze halten, nicht die Dummen sind. "

157 Hausdurchsuchungen und 255 Kontoöffnungen
In 56 Fällen setzten die Steuerfahnderinnen und Steuerfahnder Zwangsmaßnahmen ein: So erfolgten 157 Hausdurchsuchungen mit 861 Einsatzkräften, 255 Kontoöffnungen und 4 Festnahmen. Außerdem führten 45 abgabenrechtliche Prüfungsmaßnahmen –

Betriebsprüfungen und Umsatzsteuersonderprüfungen – zu einem Mehrergebnis von rund 14,72 Millionen Euro. Die IT-Fahndung sicherte im Zuge der Maßnahmen ein Datenvolumen von 65,66 Terrabyte zur Auswertung.

Das erfolgreiche Entdecken und Aufklären komplexer Betrugsmuster, wie Umsatzsteuerkarusselle und illegale Geldtransfersysteme, zeugt von der hohen Expertise und technischen Ausstattung der Steuerfahndung, die auch im digitalen Bereich zunehmend gefordert ist. So ist die Menge der sichergestellte IT-Daten 2023 mit 66.000 GB doppelt so hoch wie die Menge aus dem Jahr 2018 mit 34.000 GB.

Alfred Hacker, Vorstand des Amts für Betrugsbekämpfung, unterstreicht: "Die fortschreitende Digitalisierung und Internationalisierung des Wirtschaftslebens eröffnen Betrügern neue Möglichkeiten. Unsere Antwort darauf ist eine stetige Anpassung unserer Ermittlungsmethoden und eine verstärkte internationale Kooperation. Die Ergebnisse des Jahres 2023 sind ein Beleg für die Wirksamkeit dieser Strategie und motivieren uns, den eingeschlagenen Weg konsequent weiterzuverfolgen."

Christian Ackerler, Leiter der Steuerfahndung, ergänzt: „Die im vergangenen Jahr aufgedeckten Betrugsfälle und Steuerhinterziehungen sind komplex und umfassen ein breites Spektrum von Branchen und Methoden. Neben unserer akribischen Ermittlungsarbeit erwies sich auch die intensive Zusammenarbeit mit Justizbehörden und anderen staatlichen Einrichtungen, sowohl national als auch international, erneut als Schlüssel zum Erfolg.“

Einige ausgewählte Fälle illustrieren das facettenreiche Ermittlungsgebiet der Steuerfahndung:

Missbrauch informeller Finanztransfersysteme für Schlepperwesen

Das islamisch-arabische Hawala-Finanzsystem geriet bereits im Juni 2022 ins Visier der Ermittlungsbehörden: Bei einer stichprobenartigen Grenzkontrolle durch Schweizer Zollorgane wurden 200.000 Euro in einem in Wien zugelassenen Fahrzeug sichergestellt. Das System ist ein informelles Bargeldtransportsystem, mit Ursprüngen im frühmittelalterlichen Vorderen und Mittleren Orient. Der Fahrer, der angab, das Geld in der Schweiz einem Unbekannten zu übergeben, wurde sofort als Geldkurier identifiziert. In Tschechien wurde später demselben Drahtzieher in Tschechien eine weitere Beschlagnahme von 700.000 Euro zugeordnet. Diese Vorfälle führten zu Ermittlungen gegen eine Person, die in Verbindung mit einem Wiener Hawala-Büro stand, aus dem hohe Zahlungen für kriminelle Aktivitäten im Bereich Schlepperwesen und illegale Migration geflossen sein sollen. Die Untersuchungen deckten auf, dass durch das System außerdem Provisionseinkünfte erzielt wurden, die jedoch nicht versteuert wurden, was den Verdacht der vorsätzlichen Abgabenhinterziehung nach sich zog. Handy-Chats deuteten auf weitere Transaktionen in Millionenhöhe hin, die über Österreich abgewickelt wurden und nun als steuerpflichtige Einkünfte betrachtet werden.

Umsatzsteuerbetrug mit Kebap-Fleisch
Ein herausstechendes Beispiel für Umsatzsteuerbetrug ist der Fall eines Gastronomieunternehmers in Oberösterreich, der im Zeitraum zwischen 2017 bis 2021 Fleisch im Wert von etwa 2,7 Millionen Euro steuerfrei erwarb, ohne diese Einkäufe ordnungsgemäß in den Steuererklärungen anzugeben. Der Unternehmer belieferte mit dem Fleisch Gastronomieunternehmen und hier in erster Linie Kebap-Lokale bzw. –Stände. Hinterzogen wurde überwiegend die Umsatzsteuer sowie diverse Ertragssteuern. Eine Hausdurchsuchung und eine Kontoöffnung führten zur Aufdeckung einer Schadenssumme von mehr als 440.000 Euro, woraufhin der Unternehmer zur Nachzahlung des hinterzogenen Betrags und zusätzlich zu einer Geldstrafe von 120.000 Euro bzw. einer Ersatzfreiheitsstrafe von 3 Monaten verurteilt wurde.

Steuerhinterziehung mit Europaletten

Innerhalb von nur sieben Monaten, von Januar bis Juli 2022, kaufte und verkaufte ein in Wien ansässiger Betrieb Europaletten für insgesamt rund 1,8 Mio. Euro von verschiedenen Zulieferern, ohne dass dafür Lieferscheine vorgelegt werden konnten. Eine Überprüfung ergab, dass die Lieferanten entweder als Scheinunternehmen identifiziert oder kurz nach Erbringung ihrer Leistung insolvent wurden. Untersuchungen bei Masseverwaltern zeigten, dass die vorgelegten Eingangsrechnungen, basierend auf Unterschieden im Briefpapier, Firmenstempeln und Kontaktdaten, nicht von den behaupteten Firmen stammten. Dieser Betrug führte zur Verkürzung von ca. 600.000 Euro an Umsatzsteuer, wobei die genaue Höhe der verkürzten Kapitalertragsteuer und der Strafe noch festgestellt wird.

Nichtexistente, grenzüberschreitende Geschäfte vorgetäuscht

Ein Unternehmen, das offiziell als Leasinggeber für bewegliche Wirtschaftsgüter sowie als Importeur und Exporteur agierte, fiel als sogenannte Conduit Company auf, die aktiv in Umsatzsteuerkarusselle verwickelt war. Diese Betrugsschemata nutzen die Besonderheit des EU-Handels, bei dem grenzüberschreitende Transaktionen umsatzsteuerfrei sind, indem sie nach einem ersten steuerfreien Verkauf eine unrechtmäßige Umsatzsteuererstattung vom Staat erschleichen. Durch die Vortäuschung nichtexistierender Geschäfte mit Kraftfahrzeugen und LKW-Reifen und den Einsatz gefälschter Rechnungen zur Verschleierung verdeckter Gewinnausschüttungen entstanden erhebliche Steuerverkürzungen. Über die Jahre 2017 bis 2019 wurden Körperschaftssteuer in Höhe von 187.500 Euro sowie Kapitalertragsteuer in Höhe von 330.167 Euro hinterzogen, wobei fiktive Transaktionen im Wert von rund 13,5 Millionen Euro getätigt wurden, was die hohe kriminelle Energie und das sorgfältige Vorgehen der Täter unterstreicht. Zusätzlich zu den Finanzvergehen kommen bei den rund 15 Beschuldigten zahlreiche strafrechtliche Delikte. Den Tätern drohen massive Geldstrafen und Ersatzfreiheitsstrafen von bis zu 10 Jahren Haft.

„Missing Trader“ bei Handel mit Luxusfahrzeugen

Im Jänner 2023 leitete eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung die Aufmerksamkeit der Steuerfahndung auf eine österreichische GmbH in der Steiermark, die im Handel mit hochpreisigen Fahrzeugen wie Lamborghini, Ferrari und McLaren tätig war. Die Schlüsselfiguren in dem Fall, ein Vater-Sohn-Duo, waren beide ausländische Staatsbürger aus Skandinavien, die bereits in der Vergangenheit durch den Handel mit Fahrzeugen in Verbindung mit "Missing Tradern" und fingierten differenzbesteuerten Lieferungen aufgefallen waren. Weitere Untersuchungen deckten auf, dass die GmbH eine unauffällige Nachfolgefirma besaß, die weder im Firmenbuch registriert war noch Steuern abführte. Diese Nachfolgefirma, die ebenfalls mit Luxusfahrzeugen handelte, unterhielt intensive Geschäftsbeziehungen zu einem Unternehmen in Skandinavien, über das Fahrzeuge transferiert und mit Scheinrechnungen abgerechnet wurden. Diese Praktiken ermöglichten es der Tätergruppe, die Fahrzeuge in Österreich ohne vollständige Entrichtung von Umsatzsteuer und NOVA weiterzuverkaufen. Als Ergebnis der Ermittlungen führte die Staatsanwaltschaft 10 Hausdurchsuchungen in Österreich und Skandinavien durch, nahm die Beschuldigten fest und sicherte Beweismittel, die auf einen Schaden im Millionenbereich hindeuten.

Scheinrechnungen und Schwarzarbeit am Bau
Ein Bauunternehmen im Bereich der Eisenbiegerei in Oberösterreich nutzte Scheinrechnungen, um Leistungen zu verbuchen, die tatsächlich mangels Personal nicht erbracht werden konnten. Diese Praxis führte zu Steuerhinterziehungen von rund 1 Million Euro. Besonders auffällig war, dass ein Großteil der Fremdleister ihren Firmensitz in Wien hatten, ihr Personal dort bei der Sozialversicherung angemeldet war. Das in Oberösterreich ansässige Unternehmen aber angab an, für Tätigkeiten wie Schneeräumen auf Personal aus Wien zurückzugreifen. Nachdem durch Prüfungen festgestellt wurde, dass das Unternehmen bei einem durchschnittlichen Umsatz von 550.000 Euro pro Jahr Fremdleistungen in Höhe von bis zu 440.000 Euro jährlich als Aufwand verbucht hatte, bestand der Verdacht, dass es sich bei den verbuchten Fremdleistungen zumindest teilweise um Scheinrechnungen handelt und von den überwiesenen Beträgen ein Teil wieder als Kick-Back-Zahlungen in bar zurückgeflossen ist. Diese Barmittel sollen für Schwarzlohnzahlungen verwendet worden sein.

USB-Stick verriet Bargeldbewegungen

Im Baugewerbe wurden bei einem Betrieb in Tirol Fälle von Schwarzarbeit aufgedeckt, bei denen ein Unternehmen Überstunden seiner Mitarbeiter nicht ordnungsgemäß erfasste und stattdessen "schwarz" auszahlte. Bei einer Hausdurchsuchung beim Geschäftsführer des Bauunternehmens entdeckten die Fahnderinnen und Fahnder einen USB-Stick, in denen der Firmenchef „Einnahmen-Ausgaben-Rechnungen“ mit Bargeldbewegungen aufgezeichnet hatte, die im betrieblichen Rechnungswesen des Bauunternehmens weder erfasst waren, noch in den eingereichten Steuererklärungen umfassend offengelegt wurden. Die gründlichen Untersuchungen brachten weitere Unregelmäßigkeiten ans Licht und zeigten, dass in Summe mehr als 3,4 Millionen Euro hinterzogen wurden.

Fotos: https://bit.ly/3JMkkkX