Genussrechte - Zeitpunkt des Erwerbes des wirtschaftlichen Eigentums bei Mitarbeiterbeteiligungen in Form von Substanzgenussrechten

Anfragebeantwortung vom 21.03.2025

Eine österreichische GmbH gewährt einem Mitarbeiter Substanzgenussrechte (iSd § 8 Abs. 3 1 KStG). Der Mitarbeiter bezahlt dafür den Nominalbetrag, der sich anteilig zum Gesamtkapital inkl. Stammkapital ergibt. Die Substanzgenussrechte unterliegen einer Reverse-Vesting-Periode von 4 Jahren (48 Monate), die mit der Ausgabe der Substanzgenussrechte ("Grant-Date") zu laufen beginnt. Zusätzlich wird eine 1-jährige Cliff-Periode vereinbart. Im Gegensatz zum traditionellen Vesting, bei dem ein Mitarbeiter Substanzgenussrechte im Laufe der Zeit peu à peu erwirbt, bekommt der Mitarbeiter beim Reverse Vesting die gesamten Substanzgenussrechte sofort, muss diese aber wiederum – allenfalls zum Teil – bei Eintritt folgender Bedingungen wieder zurückgeben:

  • Endet das Dienstverhältnis innerhalb der Cliff-Periode von 1 Jahr, muss der Mitarbeiter die gesamten erhaltenen Substanzgenussrechte zum Nominale zurückgeben. Dabei wird nicht zwischen Good Leaver und Bad Leaver unterschieden. Wenn der Mitarbeiter dieses eine Jahr im Unternehmen bleibt, ist 1/4 des Substanzgenussrechts angesammelt ("gevestet") und daher grundsätzlich unverfallbar. Sollte der Mitarbeiter nach 1 Jahr ausscheiden, muss er 3/4 der erhaltenen Substanzgenussrechte zum Nominale zurückgeben.
  • Es werden sogenannte Good Leaver- und Bad Leaver-Klauseln vereinbart, die unterschiedliche Szenarien abdeckten, wenn Mitarbeiter frühzeitig aus dem Unternehmen ausscheiden:

Good Leaver behalten die bereits angesammelten („gevesteten“) Substanzgenussrechte (z.B. bei ordentlicher Kündigung durch das Unternehmen oder berechtigtem Austritt des Mitarbeiters, sowie bei unverschuldeten persönlichen Umständen, wie Krankheit oder Tod). Die bis zum Austritt noch nicht gevesteten Genussrechte muss der Mitarbeiter zum Nominale wieder abtreten. Weiters steht der Gesellschaft das Recht zu, auch die gevesteten Genussrechte zum aktuellen Wert abzuschichten.

Bad Leaver-Ereignisse führen zum vollständigen Verlust der gesamten Substanzgenussrechte (z.B. außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund durch das Unternehmen, Entlassung, unberechtigte Kündigung durch den Mitarbeiter). Der Mitarbeiter muss seinen ganzen Substanzgenussrechtsanteil zum Nominale im Rahmen des Revestings abtreten.

  • Weiters sind noch Fälle der Verlängerung bzw. des Abbruchs des Vestings bei Umstieg auf Teilzeitarbeit bzw. längerfristigen Abwesenheiten vorgesehen.
  • Sollten allfällige Ausschüttungen während der Vesting- Periode erfolgen, steht dem Mitarbeiter zumindest in Höhe seines bis dahin gevesteten Anteils auch die Ausschüttung zu.
  • Die Mitarbeiter dürfen die Substanzgenussrechte nicht ohne die Zustimmung der GmbH (bzw. deren Gesellschafter) verkaufen.

Ist davon auszugehen, dass es trotz der vereinbarten Regelungen iZm der Mitarbeiterbeteiligung (Reverse-Vesting, Cliff-Periode, Good-Leaver und Bad-Leaver-Klauseln, Verfügungsbeschränkung) bereits zum Grant-Date bei Gewährung der Substanzgenussrechte zum Übergang des wirtschaftlichen Eigentums kommt (und somit nicht erst peu à peu entsprechend dem Vesting-Verlauf oder einem sonstigen späteren Zeitpunkt)?


Substanzgenussrechte im Sinne des § 8 Abs. 3 Z 1 zweiter Teilstrich KStG liegen vor, wenn sie ein Recht auf Beteiligung am Gewinn und am Liquidationsgewinn der Körperschaft vermitteln, wobei beide Voraussetzungen erfüllt sein müssen.

Die Lohnsteuerrichtlinien 2002 führen in Rz 216 iZm Mitarbeiterbeteiligungen aus, dass eine Übertragung einer Beteiligung (und damit ein Zufluss) nur dann vorliegt, wenn der Arbeitnehmer wirtschaftlicher Eigentümer wird. Keine Beteiligungsübertragung liegt daher vor, wenn der Arbeitnehmer über die Beteiligung nicht frei verfügen kann oder ein Verkauf oder die Weitergabe an Dritte durch Vereinbarungen mit dem Arbeitgeber auf Dauer eingeschränkt wird oder dem Arbeitnehmer wirtschaftlich gesehen nur ein Verfügen über die Erträge aus der Beteiligung für eine bestimmte Zeit (z.B. während der Dauer des Dienstverhältnisses) eingeräumt wird. Der Arbeitnehmer wird daher nicht wirtschaftlicher Eigentümer der Beteiligung, wenn z.B. dem Arbeitgeber ein Rückkaufsrecht zu einem von vornherein vereinbartem Preis eingeräumt wird. Ein Vorkaufsrecht des Arbeitgebers zum Marktpreis oder eine bestimmte Sperrfrist (bis zu fünf Jahren) hinsichtlich einer Verwertung der Beteiligung sprechen für sich allein nicht gegen ein wirtschaftliches Eigentum des Arbeitnehmers.

Betreffend Start-Up-Mitarbeiterbeteiligungen wird in Rz 1125d LStR 2002 zum Übergang des wirtschaftlichen Eigentums an der Beteiligung ausgeführt, dass dieses unabhängig vom Zuflusszeitpunkt gemäß § 67a EStG 1988 nach Maßgabe der allgemeinen ertragsteuerlichen Grundsätze im Zeitpunkt der Ausgabe der Anteile auf den Arbeitnehmer übergeht. Die Voraussetzungen gemäß § 67a Abs. 2 EStG 1988 müssen stets im Zeitpunkt der Ausgabe bzw. Abgabe der Anteile an den Arbeitnehmer – also bei Übergang des wirtschaftlichen Eigentums – kumulativ vorliegen. Dies gilt auch im Falle von so genannten „Vesting“-Modellen. Die Anwendung des § 67a EStG 1988 setzt somit den Übergang des wirtschaftlichen Eigentums im Zeitpunkt der Abgabe der Anteile an den Arbeitnehmer voraus.

Es ist daher stets im konkreten Einzelfall zu überprüfen, ob das wirtschaftliche Eigentum übergegangen ist. Hinsichtlich der in der Anfrage genannten Bedingungen ist davon auszugehen, dass das wirtschaftliche Eigentum insoweit noch nicht übergegangen ist, als bei allfälligen Ausschüttungen während der Vesting-Periode dem Mitarbeiter die Ausschüttung noch nicht zusteht (z.B. hinsichtlich des noch nicht gevesteten Anteils).

Auch das in der Anfrage angeführte Beispiel in Rz 10090 in den LStR 2002 lässt nicht die Schlussfolgerung zu, dass der Übergang des wirtschaftlichen Eigentums stets bereits mit dem Grant Date erfolgt. In dem Beispiel in Rz 10090 hat der Arbeitnehmer ab dem Grant-Date Stimmrechte und Dividendenbezugsrechte, darf die Aktien aber nicht verkaufen. Insofern ist dies nicht vergleichbar mit der gegenständlichen Anfrage, die davon ausgeht, dass bei allfälligen Ausschüttungen während der Vesting-Periode die Ausschüttung auf die Höhe des bis dahin gevesteten Anteils beschränkt ist bzw. sein kann. Eine derartige Einschränkung steht dem Übergang des wirtschaftlichen Eigentums bereits zum Grant-Date entgegen.

Wird von einer derartigen Einschränkung abgesehen, ist davon auszugehen, dass die übrigen in der Anfrage genannten Bedingungen einem Übergang des wirtschaftlichen Eigentums zum Grant-Date jedoch grundsätzlich nicht entgegenstehen.